Fehlende Gleichberechtigung ist in vielen Bereichen des Lebens immer noch ein Thema. Wie sehr belastet Frauen in Führungspositionen Benachteiligung, wie können Frauen zu mehr Gehör bei ihren Mitarbeitenden gelangen, welche Tipps gibt es bei dem Thema Gehaltsverhandlung und wie können Unternehmen dazu beitragen, Frauen mehr zu fördern?

Über diese und weitere Fragen haben wir uns am Weltfrauentag mit zwei Pioneers Club Mitgliedern ausgetauscht, die regelmäßig mit diesen Themen aus erster Hand konfrontiert werden. Die Coaches Nadine Wätjen und Carla von Herff beraten regelmäßig Frauen in Führungspositionen bei Mental- und/oder Businessfragen.

Hey, schön, dass ihr euch Zeit genommen habt. Als Coaches kommt ihr oft mit Frauen aus Führungspositionen ins Gespräch. Gibt es „klassische“ Probleme mit denen viele Frauen zu euch kommen?

Carla: Ich erlebe es oft, dass Frauen einen hohen Anspruch an sich selbst haben und über den Tag viel Energie abgeben: Job, Familie, Kinder und on top, der ganze Mental-Load aus allen eben genannten Themen. Aber in den wenigsten Fällen nimmt man sich die Zeit um die Batterien wieder aufzuladen. Dabei ist genau das so wichtig. Frauen haben aber in der Regel ein feines Gespür für ihre Grenzen und merken schnell, wenn die innere Balance aus dem Ruder läuft und es Zeit ist entgegen zu steuern.“

Nadine: „Tatsächlich stelle ich bei meinen Klientinnen mehr und mehr fest, dass es diese „klassischen“ Probleme immer weniger gibt. Ich glaube nicht, dass die Themen plötzlich verschwunden sind sondern, dass immer mehr Männer offen sind für Themen, wie Emotionen am Arbeitsplatz, psychologische Sicherheit und Verletzlichkeit zeigen. Dadurch weichen sich die Grenzen der „klassischen“ Probleme für weibliche Führungskräfte auf und werden zu allgemeinen Herausforderungen für Führungskräfte. Nichtsdestotrotz gibt es, besonders bei weiblichen Klientinnen, die in eher männlich dominierten Branchen unterwegs sind, ähnliche Themen. Im Grunde „wie kann ich als Frau von meinem Team ernst genommen werden, ohne hart sein zu müssen?“ Hier arbeiten wir oft an Fähigkeiten wie Durchsetzungsvermögen, mutig Entscheidungen treffen, sich verletzlich zeigen und die eigenen Erfolge anerkennen.“

Merkt ihr in den Gesprächen mit weiblichen Führungskräften, dass fehlende Gleichberechtigung in den letzten Jahren immer noch ein großes Thema ist?

Carla: „Grundsätzlich ja. Ich war lange gegen die Frauenquote, weil ich der Meinung war, dass Frauen es aus eigener Kraft schaffen, wenn sie denn wollen. Heute sehe ich das anders, zumindest für Positionen an der Spitze. Hier ist eine Frauenquote wichtig, um den Wandel zu beschleunigen. Dass Frauen in Führungspositionen Männern in nichts nachstehen, ist wohl nachhaltig bewiesen. Was ich aber auch merke: Wenn Frauen eine Führungsposition inne haben, ist die Akzeptanz des Umfelds in den meisten Fällen gegeben. Das war vor ein paar Jahren auch noch anders.Bei jungen weiblichen Führungskräften beobachte ich es eher weniger.“

Nadine: „Bei jungen weiblichen Führungskräften beobachte ich es eher weniger. Sobald jedoch das Thema Schwangerschaft, Elternzeit oder gar Teilzeit aufkommt, spüre ich, auch heute noch, ein Ungleichgewicht.Führung ist dann in vielen Unternehmen nicht mehr, oder nur in kleinem Rahmen möglich. Auch arbeiten immer noch sehr wenige Väter in Teilzeit.Dieses Thema ist an sich sehr komplex und hier gibt es sicher noch einiges zu tun.Auch beobachte ich bei meinen Coachings mit Führungskräften in sehr hohen Positionen (Head of, C-Level, Vorstand), dass es hier weibliche Führungskräfte noch immer schwer haben. Aus Erzählungen meiner Klientinnen geht es hier oben eben doch sehr politisch zu und es kommt stark auf das eigene Netzwerk an. Grade hier zahlt sich aus, dass Männer oft schon sehr früh in ihrer Karriere in ihr Netzwerk investieren.“

 

Habt ihr Tipps, die Frauen dabei helfen im Job bzw. Unternehmen zu mehr Gehör zu kommen?

Calra: „Sich selbst erlauben mutig zu sein. Und die eigenen Themen proaktiv angehen und souverän vertreten. Selbst wenn wir mal einen Anstupser brauchen, derzeit haben wir vielfältige Möglichkeiten uns mit Impulsen und Empowerment aufzuladen und zu stärken, um den eigenen Weg überhaupt wahrzunehmen und zu gehen.
Es ist auch völlig in Ordnung mal anzuecken oder nicht mit dem Strom zu schwimmen. Wachstum entsteht, wenn unterschiedliche Meinungen und Ansätze aufeinandertreffen und echter Austausch entsteht. Das darf man sich auch gerne vor Augen führen! Es gibt also keinen Grund sich zu verstecken.“

Nadine: „Sei aktiv. Erwarte nicht, dass dein Team oder deine Vorgesetzten deine Wünsche und Bedürfnisse erkennt, sondern frage aktiv nach z.B. der Projektleitung, der Gehaltserhöhung oder der fachlichen Weiterentwicklung.“

Das Thema Gender Pay-Gap ist in unserer Gesellschaft weiter präsent. Was gebt ihr Frauen mit auf den Weg, die ihr Gehalt verhandeln möchten?

Carla: „Tut es. 🙂 Frauen verdienen nach wie vor weniger als Männer, lt. demStatistischen Bundesamt waren es im vergangenen Jahr durchschnittlich 18% weniger. Da ist Luft nach oben! Hört nicht auf die innere Stimme, die euch davon abhalten will. Wenn ein Störgefühl zwischen Leistung und Bezahlung vorliegt, würde ich das Thema in jedem Fall angehen. Um Sicherheit zu bekommen, kann man gerne vorab die „richtigen“ Argumente sammeln. Die innere Stärke macht hier einen deutlichen Unterschied!“

Nadine: „Es beginnt mit dem Erkennen, der eigenen Stärken und Erfolge. Umso klarer du dir bist, umso klarer wirst du dein Gehalt verhandeln können. Etwas das häufig unterschätzt wird ist die Körpersprache: Achte darauf, dass deine Körpersprache zu dem passt, was du erreichen möchtest. Ein letzter Tipp: „Stille aushalten“. Hast du deinen Gehaltswunsch geäußert, schweige. Zähle im Kopf langsam bis Fünf. Das verhindert, dass du dich rechtfertigst und dein genanntes Gehalt wieder „klein“ redest.“

Was ratet ihr Frauen, die Karriere und Familie unter einen Hut bringen wollen?

Carla: „Meine Message: Es funktioniert. Aber es gibt noch viel zu tun. Frauen kämpfen in solchen Situationen oft mir ihrem schlechten Gewissen. Entweder sind sie nicht bei den Kindern oder sie sind nicht beim Job. Ich kenne das nur zu gut. Aber auch hier gilt: Genau in sich hineinhören, wie man leben möchte. Eine zufriedene Mama kann diese Positivität auch in die Familie tragen. Das kann sie aber nicht, wenn sie sich z.B. die Karriere versagt, die ihr aber auch wichtig ist.
Ich war lange Zeit alleinerziehend und hatte einen verantwortungsvollen Job. Natürlich war das auch nicht immer einfach. Aber ich wollte beides. Eine gute Mama sein, den Job machen, den ich gern mache und ein Vorbild sein. Wenn man beides möchte, geht auch das.“

Nadine: „Hierzu gehört i.d.R. auch der Partner. Sprecht euch ab und klärt ganz offen eure Bedürfnisse und Wünsche. Verhandelt gemeinsam Zeiten und Prioritäten. Hierbei geht es vor allem, um eine offene Kommunikation. Missverständnisse und Frust haben oft hier ihren Ursprung. Ich beobachte oft einen Druck alles richtig machen zu wollen und den Kolleg:innen in nichts nachzustehen. Hier kann ich den Tipp geben, auf die eigene Erwartungshaltung zu schauen. Du musst nicht alles unter einen Hut bekommen. Es wird immer wieder Tage geben, an denen es weniger gut klappt. Sei gütig mit dir. Dem Team und Arbeitgeber gegenüber hilft ebenfalls eine offene und transparente Kommunikation.“

Wie können Unternehmen weibliche Führungskräfte fördern?

Nadine: „Durch einen gezielten Einsatz von Einzel oder Gruppen-Coaching lassen sich Führungskräfte individuell entwickeln. Dies trifft sowohl auf Männer als auch auf Frauen zu.Speziell bei weiblichen Führungskräften beobachte ich oft ein mangelhaftes Netzwerk.Hier können Unternehmen, z.B. durch ein internes Mentoring Programm gezielt erfahrene, weibliche Führungskräften mit jüngeren, unerfahreneren Führungskräften zusammenbringen.
Diese Begleitung im Alltag kann sehr wertvoll sein. Sie ist schlank in den Kosten und kann grundsätzlich schnell umgesetzt werden.“